Der Ruhestand muss bei Willi Roth noch ein wenig warten

Quereinsteiger gab es in der Berufswelt auch früher schon. Wie gut das funktionieren kann, zeigt die Geschichte von Willi Roth, der vor einem halben Jahrhundert als Sanitäter beim Roten Kreuz anfing – und im Rentenalter noch immer dabei ist.

Willi Roth hatte „null Berührungspunkte“ mit dem Roten Kreuz, als er sich als junger Mann nach der Lehre zum Stahl- und Leichtmetallschlosser und zwei Jahren bei Volkswagen beruflich veränderte. Er hinterlegte beim DRK in seinem Wohnort Wunstorf das Interesse, als Sanitäter anzufangen, „wusste aber gar nicht, was mich dort eigentlich erwartet“. Doch nur ein paar Tage später sah er sich in der Geschäftsstelle in Neustadt mit der Frage konfrontiert, wann er denn wohl anfangen könne.

Roth konnte rasch anfangen, fuhr alsbald als Sanitäter mit – und war nach der ersten Schicht skeptisch: „Ist das wirklich was für mich?“, fragte er sich. Wenig verwunderlich, nachdem er direkt einen Bekannten mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus hatte bringen müssen. Und doch: Es war was und wurde etwas ganz Großes. Denn 50 Jahre nach diesen anfänglichen Zweifeln arbeitet Roth noch immer für das Rote Kreuz, gleichwohl er längst den Ruhestand im Wortsinn verbringen könnte. Doch dazu später mehr…

Krankenwagen steht vor der Haustür

Willi Roth, dessen zweiter Vorname übrigens Herbert ist und der seine ersten zwei Lebensjahre in Völksen verbrachte, warf also nicht gleich wieder hin, fuhr bald allein (!) durch den Nordwesten des Landkreises und sammelte Tag für Tag wertvolle Erfahrungen. Die Ausbildung zum Rettungssanitäter in Goslar folgte erst einige Wochen später, heute kaum vorstellbar.

Genauso übrigens wie die Tatsache, dass der Krankenwagen vor der eigenen Haustür parkte und die Roths einen separaten Telefonanschluss vom Roten Kreuz hatten, auf dem die Alarmierungen eingingen. Wenn Willi unterwegs war, nahm seine Frau Annegret die Anrufe entgegen und leitete sie nach Neustadt weiter. Waren beide nicht zu Hause, wurde eben auf die Polizei dort umgestellt.

Ich habe viel erlebt. Aber man stumpft nicht ab.

Auf diese außergewöhnliche, aber doch recht kurze Episode in Wunstorf folgten drei Jahrzehnte in Garbsen. Dort wurde Roth bald Leiter der Rettungswache, fuhr aber weiterhin Einsätze. „Ich habe dort viele traurige Sachen erlebt, das bringt der Beruf mich sich“, blickt Roth zurück. „Aber man stumpft nicht ab. Insbesondere wenn Kinder betroffen sind, berührt einen das immer wieder aufs Neue doch sehr.“

Die positiven Seiten des Berufs hätten jedoch deutlich überwogen: „Das ist ja das Tolle: Man kann helfen!“ Und wenn sich dann noch diejenigen erinnern, denen einst geholfen wurde, und im Supermarkt ihre Frau herbeiwinken, um ihr mitzuteilen, dass „dieser Herr hier mein Leben gerettet hat“, konnte Roth sich in seiner Entscheidung immer wieder bestätigt fühlen.

Hoeneß bedankt sich mit Einladung

Ganz besonders in Erinnerung geblieben sind dem Rotkreuz-Urgestein aber auch die Ereignisse rund um den Absturz eines Privatflugzeugs am 17. Februar 1982 zwischen Heitlingen und Resse, den als einziger Insasse Uli Hoeneß überlebte. Roth gehörte an diesem späten Mittwochabend zum Kreis der Rettungskräfte, bei denen sich der damalige Manager des FC Bayern München später unter anderem mit einer Einladung zu einem Bundesligaspiel im Olympiastadion bedankte.

So sehr das nicht zuletzt dank des außergewöhnlichen Rahmenprogramms auch in Erinnerung geblieben ist: „Eigentlich habe ich es nicht so mit Fußball“, gesteht Roth. Deutlich stärker am Herzen liegen ihm Tiere: „Mein großes Hobby waren Brieftauben.“ Der leidenschaftliche Züchter hatte einen Schlag im Garten und nahm bis vor einem knappen Jahrzehnt erfolgreich an Wettbewerben teil. Und ein Hund gehörte auch stets zum Haushalt. Letzter treuer Weggefährte mit vier Pfoten war Labrador Brösel, der vergangenes Jahr im stolzen Alter von 14 Jahren verstorben ist.

Große Feier und große Gefühle

Die loyalen Tiere passen gut ins Bild, auch Roth ist dem Roten Kreuz schließlich bis heute treu geblieben, weshalb sein 50. Jubiläum am 1. April mit alten Weggefährten groß gefeiert wurde: „Das war sehr ergreifend“, sagt er, der 2006 aus Garbsen nach Springe wechselte und dort bis zum offiziellen Renteneintritt arbeitete. Wirklich in Rente gegangen ist Roth aber bis heute nicht, im Fahrservice kümmert er sich unter anderem um die Rückläufe der Fahrberichte. „Viele haben gesagt: Mach dir doch ein schönes Leben!“ Doch das habe er ja. „Mir macht das heute alles immer noch viel Spaß“, betont Roth. Nach den Zweifeln am ersten Abend sei schnell klar gewesen, „dass ich das bis zur Rente machen“. Und darüber hinaus.