Sie sind "Einfach nur Mensch"

In der öffentlichen und medialen Diskussion werden sie oft pauschal in die Kategorie „Flüchtling“ oder „Migrant“ einsortiert. Doch wer sind die Menschen hinter diesen Begriffen? Auf dieser Seite stellen wir zwei Rotkreuzler vor, die man pauschal in diese Schubladen stecken würde. Doch sie sind mehr als nur Flüchtling oder Migrantin: Sie sind Mutter und Helferin, Mitarbeiter und Mitbewohner. Ganz normale Menschen eben.

Muhanna – Mitarbeiter und Mitbewohner

Muhanna weiß noch ganz genau, wo er damals in Hannover ankam: Am Messebahnhof in Laatzen. Von dort ging es in das ehemalige Schulzentrum in Hannover-Ahlem, damals eine Notunterkunft, die vom Roten Kreuz betreut wurde. Das war am 6. Oktober 2014. Mehrere Monate war er zuvor auf der Flucht, um in seinem Heimatland nicht zum Militär zu müssen. „Ich wollte keine Menschen töten und habe mich damit selbst in Gefahr begeben“, berichtet der 32-Jährige.

Rund vier Jahre später sitzt er auf der anderen Seite. Er arbeitet selbst beim Roten Kreuz, war erst Flüchtlingsbetreuer in einer Unterkunft und ist seit Dezember Sozialbetreuer im Integrationsprojekt „Wege finden“. „Wir finden Wege für geflüchtete Menschen, damit sie in Arbeit kommen und ihren eigenen Lebensweg gehen können“, fasst er kurz zusammen. Er selbst kennt das Gefühl der Orientierungslosigkeit. Ja, er ist ein Flüchtling. Doch nun ist er auch Helfer, nachdem ihn viele andere Menschen auf seinem Weg unterstützt haben. Seine Aufgabe besteht weniger darin, etwas zurückzugeben, sondern anderen mit seiner Erfahrung zu helfen – auf dem kurzen Weg und um gemeinsam Hürden zu überwinden.

Vermittler zwischen den Kulturen
Um zwischen den Kulturen zu vermitteln und auch selbst seine Sprachkenntnisse im Dialog zu verbessern fing er 2015 an, im Freizeitheim Vahrenwald ehrenamtlich Arabisch-Unterricht zu geben. „So konnten beide Seiten lernen, die Besucher meine Sprache und ich konnte mein Deutsch verbessern.“ Mittlerweile studiert er neben dem Job Soziale Arbeit an einer Fernuni. In Syrien hatte er bereits seinen Abschluss in Philosophie, Schwerpunkt Psychologie, gemacht.  „Die Chancen in einer großen Stadt wie Hannover sind gut“, erklärt Muhanna seine Intention. Daher wollte er auch die Zuweisung für die  niedersächsische Landeshauptstadt. Ob Muhanna mittlerweile in Deutschland angekommen ist? „Natürlich“, bejaht er. Vor allem seine WG-Mitbewohner hätten nach seinem Auszug aus der Flüchtlingsunterkunft einen großen Anteil an diesem Zugehörigkeitsgefühl gehabt, auch sein neuer Job macht ihn stolz. Selbst wenn er sich in der neuen Stadt mal fremd fühlte, er wurde trotzdem immer willkommen geheißen und nicht offen mit Vorurteilen und Rassismus konfrontiert.

Emelda – Mutter und Helferin

In ihren knapp zwölf Jahren in Deutschland hat Emelda bisher nur ein Mal eine negative Erfahrung machen müssen, als eine Frau sie und ihre Kinder in der Stadtbahn verbal attackierte und beschimpfte. Sie blieb gelassen und verabschiedete sich beim Aussteigen mit einem „Danke, ich hab alles verstanden, ich spreche Deutsch“, woraufhin die Frau sie perplex anstarrte.

Dass Emelda eine starke Frau ist, merkt man schnell. Auch sie nutzt ihre eigene Erfahrung, um anderen zu helfen. Nach ihrem Master-Studium in Göttingen zog die Kamerunerin zu ihrem Partner nach Hannover, sie bekamen zwei Kinder. Ihre Tochter ist heute neun Jahre alt und geht in die Grundschule, ihr vierjähriger Sohn besucht die KiTa. Während sie im Studium und Freundeskreis in Göttingen ausschließlich englisch sprach, merkte sie nach der Geburt ihrer Kinder, dass für den Alltag im Bildungssystem mehr Deutschkenntnisse notwendig sind. Neben einem Deutschkurs besuchte sie daher das DRK-Projekt „MiMü – Mittelfelder Mütter“, das sich an Mütter mit Migrationshintergrund richtete. Drei Jahre nahm sie selbst am Projekt teil, kam in Kontakt mit anderen Müttern und ihren Kindern.  „Meine Tochter war damals 1,5 Jahre alt und noch nicht in der Krippe, so konnte sie erste Kontakte knüpfen“, fasst Emelda ihre Intention zusammen. Und genau diese Kontakte seien ihrer Meinung nach auch wichtig, um in der neuen Stadt anzukommen.

Von der Teilnehmerin zur Begleiterin
Als sie dann 2017 auf der Website des DRK-Regionsverbandes vom Projekt „Elternbegleiter/innen“ laß, das Ehrenamtliche suchte, war sie gleich begeistert. Sie wechselte die Seite: Als Patin stand sie nun einer jungen Mutter aus Ghana zur Seite und half ihr im Alltag, bei Behördengängen, der Suche nach einem Deutschkurs, der Anmeldung in der KiTa und anderen Angelegenheiten. Der Perspektivwechsel, von der Teilnehmerin zur Helferin, ermöglichte ihr ein besonderes Maß an Empathie für die betreute Familie. Noch heute halten die beiden Mütter Kontakt. Und so kann Emelda regelmäßig beobachten, wie die von ihr betreute Familie selbstständig ihren Weg geht.


Akzeptanz und Verständnis

Es stört Muhanna und Emelda nicht, wenn man sie auf ihre Erfahrung anspricht. „Es ist aber sehr individuell, wie Personen darauf reagieren. Manche möchten über ihre Erfahrung reden, andere nicht. Das sollte man akzeptieren und ansonsten locker mit dem Thema Flucht und Migration im gegenseitigen Kontakt umgehen“, empfiehlt Muhanna. Das sieht auch Emelda so, die um Verständnis wirbt. „Viele verstehen nicht, was es mit der Flucht oder Migration auf sich hat, da sie zum Glück selbst nie so eine Erfahrung machen mussten. Es kann ein Trauma sein, alles zurückzulassen“, so die junge Mutter. Für beide ist der wichtigste Schritt auf der Seite der Zugezogenen jedoch, die deutsche Sprache zu lernen und sich auf die neue Kultur einzulassen. Ohne Dialog sei Integration nicht möglich.

Muhanna und Emelda haben beide die Seite gewechselt, vom Hilfsempfänger wurden sie zum Helfer. Muhanna ist nicht nur Flüchtling, Emelda ist nicht nur Migrantin, sie sind beide zuallererst einmal „Einfach nur Menschen“.

Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe

Das Rote Kreuz steht allen Menschen bei, die Hilfe benötigen.
An verschiedenen Standorten in der Stadt und Region Hannover betreuen wir geflüchtete Menschen.
Unterstützen Sie uns als Spender oder ehrenamtlicher Helfer in den verschiedensten Bereichen dabei, die Geflüchteten in unserer Stadt willkommen zu heißen und ihnen bei ihrer Integration zur Seite zu stehen.

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