Psychosoziale Notfallversorgung für Retter

Hannover/Hildesheim. Nach einem schweren Autounfall oder bei Großkatastrophen sind Rettungskräfte als erste vor Ort, um verunfallten Menschen zu helfen. Die Retter erleben im Einsatz Szenen, die nur schwer zu verarbeiten. Mit der Fortbildung von zehn Mitarbeitern zum psychosozialen Ansprechpartner (PSAP) bietet das Deutsche Rote Kreuz Hannover/Hildesheim seinen Helfer Unterstützung an, um solche Vorfälle zu verarbeiten.

Dr. Lara Dressler präsentiert den Teilnehmern der Fortbildung die Ergebnisse ihrer Studie zur Gewalt gegen Rettungskräfte

„Es kann vorkommen, dass man zu einem Einsatz gerufen wird, bei denen man den Verunfallten kennt oder sich wahre Familientragödien ereignen. In dem Moment kann man nicht groß Nachdenken, sondern muss funktionieren“, berichtet Frank Wöbbecke vom DRK-Rettungsdienst Hannover/Hildesheim über das Alltagsgeschäft der Helfer. Die vermehrte Behinderung der Einsatzkräfte durch Schaulustige an den Unfallorten stellt zudem einen weiteren Faktor da, der die Rettungskräfte in ihrer Arbeit beeinflusst. Die Rechtwissenschaftlerin Dr. Lara Dressler von der Universität Bonn spricht bei der Präsentation der Ergebnisse ihrer Dunkelfeldstudie in vier deutschen Großstädten von „zwei bis drei körperlichen Übergriffen pro Person und Jahr, die oft völlig überraschend aus einer Situation heraus entstehen“. Auch solch eine Form des Druckes könne laut Michael Steil vom Netzwerk Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) belastend sein, da er das Rollenverständnis der Rettungskräfte als Helfer in der Not nachträglich verändere.

Erst im Nahhinein, wenn Ruhe einkehre, könne es dann vorkommen, dass das Erlebte einem nicht mehr aus dem Kopf geht und traumatische Symptome zu erkennen sind. Dabei sei es manchmal nicht das eine Großereignis, sondern die Summe vieler kleiner Vorfälle, die zu einer Belastung werden. Daher bieten die DRK-Rettungsdienste Hannover/Hildesheim ihren Mitarbeitern eine Fortbildung an, um die Kollegen im Berufsalltag bei Bedarf psychosozial zu unterstützen. „Mittlerweile haben wir in Hannover, der Region sowie der Stadt und dem Landkreis Hildesheim in all unseren Rettungswachen zwei kollegiale Ansprechpartner sowie darüber hinaus nun ein Team von zehn Personen, die psychosoziale Ansprechpartner sind und insgesamt mehr als 100 Stunden an Fortbildung pro Mitarbeiter absolviert haben“, so Wöbbecke. „In der Kombination mit der der Beschäftigung einer Diplom-Psychologin hat das DRK damit eine Vorreiterrolle inne, was die psychosoziale Versorgung der eigenen Rettungskräfte angeht“, so PSNV-Experte Michael Steil.

Die Ansprechpartner im Unternehmen seien als Angebot an die eigenen Mitarbeiter zu verstehen, sich bei Bedarf Hilfe und Rat zu holen. Bei ihrem ersten Arbeitstag würden alle neuen Mitarbeiter und Azubis auf das Angebot aufmerksam gemacht. „Uns ist es wichtig, das Thema zu enttabuisieren, damit wir die Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Kollegen gewährleisten können“, begründet Wöbbecke die Entscheidung der DRK-Rettungsdienste, ein solches internes Netzwerk aufzubauen.